European Train Control System (ETCS)

Die Eisenbahnen Europas weisen eine historisch gewachsene Vielfalt sehr unterschiedlicher betrieblicher Regelwerke und Signalsysteme auf. Da eine Vereinheitlichung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, wird als Voraussetzung für eine Interoperabilität die Schaffung einer einheitlichen Schnittstelle zwischen Fahrweg und Fahrzeug als vorrangiges Ziel betrieben. Damit wäre ein grenzüberschreitender Fahrzeugeinsatz als Voraussetzung für den gemäß EU-Richtlinien geforderten freien Netzzugang möglich. Das Ergebnis der bisherigen Arbeit ist das European Train Control System (ETCS). Das ETCS ist Bestandteil des Betriebsleitsystems der europäischen Bahnen ERTMS (European Rail Traffic Management System).

ETCS-Einführung

Auch wenn das europäische Zugsicherungssystem ETCS schrittweise in den Eisenbahnnetzen verschiedener EU-Länder eingeführt wird, wird es noch Jahrzehnte dauern, bis es flächendeckend eingeführt ist und damit die bestehenden nationalen Zugsicherungssysteme in den Transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN-V) ablöst.

Eine Grafik mit einer Europakarte, die farblich und durch Verwendung der entsprechenden Abkürzungen die verschiedenen Zugbeeinflussungssysteme der Länder kennzeichnet.
Zugbeeinflussungssysteme in Europa
© Michael Kunze

ETCS-Einführung in Deutschland

Es wird noch eine Weile dauern, bis in Deutschland eine umfassende Einführung der ETCS-Ausrüstung erfolgen wird. Nach derzeitiger Planung wird das bestehende LZB-System in Deutschland bis 2030 schrittweise durch ETCS Level 2 auf ca. 2.500 km ersetzt. Bis 2050 muss das gesamte TEN-V-Netz in Deutschland (ca. 16.000 km von insgesamt 30.000 km) mit ETCS ausgerüstet sein. In den nächsten Jahren werden die konkreten Umsetzungsschritte bei den einzelnen Korridoren wie folgt aussehen:

– Nord-Ostsee: In Deutschland betrifft dies die Anbindung der europäischen Seehäfen, die an der Grenze zu Polen beginnen. Der Hamburger Seehafen ist über die Strecke Frankfurt (Oder)–Berlin–Hamburg angebunden. Durch die Fortsetzung des Korridors von Berlin nach Hannover können weitere Seehäfen angeschlossen werden. Der Seehafen Rotterdam ist über die Strecke Hannover–Osnabrück–Hengelo angebunden. Der Seehafen Antwerpen ist über die Strecke Hannover–Köln–Antwerpen angebunden. Hier soll der Streckenabschnitt zwischen Frankfurt (Oder) und Berlin bis 2023 fertiggestellt werden.

– Rhein-Alpen: In Deutschland betrifft dies die Verbindung zwischen Duisburg–Düsseldorf–Köln–Koblenz–Mainz–Mannheim–Karlsruhe–Basel. Die Fertigstellung dieser Strecken ist bis 2023 geplant.

– Skandinavien-Mittelmeer: In Deutschland betrifft dies die Verbindungen nach Skandinavien über München–Nürnberg–Hannover–Hamburg bis Flensburg von der Grenze zu Österreich in Passau. Auch die Fehmarnbeltquerung wird von Hamburg aus angebunden. Auch der Seehafen in Rostock ist über Leipzig und Berlin angebunden. Die Strecke Berlin–Rostock und die Grenzverbindungsstrecken im Süden und Norden des Korridors sollen bis 2023 fertiggestellt sein.

– Rhein-Donau: In Deutschland betrifft dies die Verbindung von der Grenze zu Frankreich bei Straßburg über Mannheim–Frankfurt–Würzburg bis zur Grenze zu Österreich bei Passau. Eine Verbindung zur Tschechischen Republik nach Prag ist ebenfalls geplant. Eine Alternativstrecke ist die Verbindung von Straßburg über Stuttgart und München nach Passau. Die Grenzverbindungen nach Österreich und Tschechien sollen bis 2023 fertiggestellt sein.

– Atlantik: In Deutschland betrifft dies die Verbindung von Mannheim nach Straßburg. Von Straßburg über Paris werden die Städte an der französischen Atlantikküste (Le Havre und Bordeaux) und die Atlantikküste auf der Iberischen Halbinsel (Bilbao, Porto, Lissabon) angebunden. Die Anbindung an diesen Korridor ist für 2023 vorgesehen.

– Strecke Erfurt–Eisenach: Im Zusammenhang mit dem „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8“ (VDE 8) wird die Verbindungsstrecke zwischen Erfurt und Eisenach ausgebaut und für Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h ausgerüstet. Der Ausbau mit ETCS Level 2 ist bis 2023 geplant.

ETCS-Einführung in Europa

Einige Länder führen umfassende Programme zur Erneuerung der Signalanlagen durch, die letztlich zu einer umfassenden Nutzung von ETCS führen. Beispiele für solche konsistenten Implementierungen sind Luxemburg, Belgien, Dänemark, die Schweiz und Norwegen. Diese Projekte sind als Beispiele aufgeführt.

Belgien. Belgien führt derzeit eine vollständige Umstellung des Signalsystems auf ETCS durch. Seit dem 1. Dezember 2016 besteht in Belgien eine allgemeine Verpflichtung der Eisenbahnunternehmen, ihre Fahrzeuge auf dem belgischen Schienennetz mit ETCS auszurüsten. Das bedeutet, dass alle in Belgien tätigen Eisenbahnunternehmen ihre Fahrzeuge mit diesem System ausrüsten müssen.

Dänemark. Das dänische Eisenbahnnetz hat eine Gesamtlänge von 2.132 km. Alle konventionellen Eisenbahnsignalanlagen werden durch ETCS-Level-2-Ausrüstungen ersetzt. Um die Möglichkeiten von ETCS Level 2 technisch und kommerziell optimal auszuschöpfen, wird das neue System komplett ohne Signale auskommen.

Luxemburg. Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat beschlossen, das gesamte Streckennetz sowie alle Lokomotiven und Triebfahrzeuge in einem entscheidenden Schritt mit ETCS Level 1 auszurüsten. Am 1. März 2005 wurde eine Pilotstrecke in Betrieb genommen. Die übrigen Strecken wurden anschließend mit ETCS L1 ausgerüstet und im kommerziellen Testbetrieb betrieben. Seit dem 1. Dezember 2014 ist das gesamte luxemburgische Schienennetz mit ETCS L1 ausgerüstet.

Schweiz. Die Schweiz hat ETCS frühzeitig für die Zugsteuerung eingesetzt. Alle Schienenfahrzeuge in der Schweiz sind mit dem sogenannten ETM (Eurobalise Transmission Module) ausgerüstet. Damit sind sie in der Lage, Informationen aus den nationalen Zugbeeinflussungssystemen SIGNUM und ZUB, die von Eurobalisen und Euroloops (im Paket 44) bereitgestellt werden, zu lesen und zu verarbeiten.

Seit 2003 werden bei Sanierungen und Neubauten von „alten“ ZUB-Transpondern oder ZUB-Loops auf der Strecke nur noch Eurobalisen und Euroloops eingesetzt. Dies ist der Ausgangspunkt für die Migration zu ETCS im gesamten nationalen Eisenbahnnetz der Schweiz, die mit ETCS Level 1 Limited Supervision durchgeführt werden soll.

Die ETCS L1 LS-Informationen werden zusammen mit SIGNUM- und ZUB-Informationen in den gleichen Balisen verwendet. Dies bedeutet, dass sowohl Fahrzeuge mit nationaler Ausrüstung (SIGNUM/ZUB/ETM) als auch Fahrzeuge, die nur über eine ETCS-Ausrüstung verfügen, auf der Infrastruktur verkehren können. Die Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist, die 2004 in Betrieb genommen wurde, und die Strecke Solothurn–Wanzwil waren die ersten Strecken, die in der Schweiz mit ETCS Level 2 ausgerüstet wurden. Auch der Lötschberg-Basistunnel wurde im Dezember 2007 mit ETCS Level 2 in Betrieb genommen. Im Jahr 2016 wurde der Betrieb im Gotthard-Basistunnel mit ETCS Level 2 aufgenommen. Die Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels mit ETCS Level 2 erfolgte im März 2020.

Norwegen. 4.200 km Gleis werden in Norwegen in den nächsten Jahrzehnten auf ETCS umgerüstet. Bis 2034 soll die neue Signaltechnik schrittweise in Betrieb genommen werden.

 

Empfohlene Fachliteratur:

Schnieder, Lars, An introduction to ETCS
https://www.pmcmedia.com/neuerscheinungen/419/an-introduction-to-etcs

Stanley, Peter, ETCS for Engineers
https://www.pmcmedia.com/programm/rail/159/etcs-for-engineers

Trinckauf, Jochen; Maschek, Ulrich; Kahl, Richard; Krahl, Claudia (Hrsg.), ETCS in Deutschland
https://www.pmcmedia.com/neuerscheinungen/421/etcs-in-deutschland