Zahnradbahnen
Das System Bahn ist das energieeffizienteste Fortbewegungsmittel und wird es wahrscheinlich auch immer bleiben. Grund dafür ist der geringe Rollwiderstand. Nachteilig ist jedoch damit verbunden, dass bei der auch sogenannten Adhäsionsbahn erstens der Bremsweg erheblich verlängert ist im Vergleich z. B. zum Strassenverkehr und zweitens auch die Antriebsleistung die geringe Haftreibung im Rad-Schiene-Kontakt nicht überschreiten sollte, denn dann würden die Räder durchdrehen.
Während dies in der Ebene im Vergleich zum straßengebundenen Verkehr nur zu einer langsameren Beschleunigung führt, wird dies mit zunehmender Neigung der Fahrbahn bereits bei vergleichsweise niedrigen Werten zu einem Traktionsproblem. Bei Vollbahnen führt dies dazu, dass man Strecken so trassiert, das Streckenneigungen von über 30 ‰ eine Ausnahme sind. Insbesondere Güterzüge mit nur einer Lokomotive sowie schweren und vielen Wagen kommen schnell an die Grenze des physikalisch Machbaren. Wird die Geschwindigkeit bergauf hauptsächlich durch die Kombination aus Antriebsleistung und Haftreibung limitiert, wird auch bergab die maximale Geschwindigkeit begrenzt aufgrund des verlängerten Bremswegs.
Personentriebzüge mit verteilten Antrieben haben ähnlich einem Allradfahrzeug auf der Straße eine bessere Kraftübertragung, sodass sie grössere Steigungen befahren können. Ab einer Steigung von etwa 70 ‰ ist jedoch auch in diesem Fall das Maximum erreicht. Im Gebirge kann die Topografie dann so anspruchsvoll sein, dass auch eine Mehrfachtraktion nicht mehr ausreicht. Daher gibt es bei der Trassierung zwei Optionen: Entweder kann die maximale Neigung niedrig gehalten werden durch die künstliche Verlängerung der Strecke durch Kehrschlaufen und Kehrtunnel (z. B. Sauschwänzlebahn, Schwarzwaldbahn, Gotthard-Bergstrecke, Berninabahn) oder es wird in Gleismitte eine Zahnstange montiert, in der ein im Rollmaterial montiertes Zahnrad formschlüssig eingreift und so die Kraftübertragung unterstützt oder gleich ganz übernimmt.
Neben den Adhäsionsbahnen gibt es somit reine Zahnradbahnen, bei denen der Antrieb immer über die Zahnräder erfolgt und die Räder nicht angetrieben sind (Gornergratbahn, Pilatus-Bahnen, Brienzer Rothorn Bahn etc.) und es gibt gemischte Adhäsions- und Zahnradbahnen (Matterhorn Gotthard Bahn, Zentralbahn, Bergbahn Rheineck – Walzenhausen etc.), bei denen beide Antriebsarten verwendet werden. Vorteil ist, dass die Infrastruktur in Bereichen, die keinen Zahnradantrieb benötigen, mit dem Adhäsionsantrieb befahren werden kann und nur bei größeren Steigungen die zusätzliche Zahnstange eingebaut werden muss. Die Linienführung kann wesentlich direkter erfolgen, da keine Kehrschlaufen und Tunnel benötigt werden. Nachteilig ist, dass die Fahrzeuge wesentlich komplizierter aufgebaut und aufgrund der geringen Stückzahlen erheblich teurer sind. Auch ist die Fahrgeschwindigkeit bergauf auf 40 km/h begrenzt, bei der Talfahrt sogar aufgrund des Bremswegs noch niedriger. Unter anderem zur Fahrzeitreduktion wird z. B. zwischen den Orten Täsch und Zermatt bei der Matterhorn Gotthard Bahn ein neuer Tunnel gebaut, in dem durch eine gleichmäßigere Neigung auf die Zahnstange verzichtet werden kann. Dadurch reduziert sich die Fahrzeit erheblich.
Bei gemischten Adhäsions- und Zahnradbahnen muss zu Beginn jedes Zahnradabschnitts in die Zahnstange eingefahren werden, d. h., das Zahnrad muss mit der Zahnteilung der Zahnstange synchronisiert werden. Bei der Einfahrt muss dazu der Zug auf 10 km/h verlangsamt werden und kann erst im Zahnstangenabschnitt wieder auf maximal 40 km/h (bergauf) beschleunigt werden. Gerade bei längeren Zugkompositionen führt dies pro Einfahrt zu einem Fahrzeitverlust von bis zu einer Minute. Aus diesem Grund werden Kreuzungsstellen bei eingleisigen Strecken trotz der vorzugsweise geringen Neigung oft durchgängig mit Zahnstangen versehen, auch wenn dies mit erheblich höheren Investitionen in die Infrastruktur verbunden ist. Die Ausfahrt aus einem Zahnstangenabschnitt kann mit Regelgeschwindigkeit erfolgen.
Historisch haben sich drei verschiedene Hauptgruppen von Zahnradantriebssystemen entwickelt:
1. Riggenbach, Strub, von Roll
Alle drei Zahnstangensysteme können von den gleichen Fahrzeugen befahren werden. Der Zahnabstand beträgt 100 mm. Riggenbachprofile sind üblicherweise 3 m lang und haben somit 30 Zähne. Diese auch als Leiterzahnstange bezeichneten Profile können aufgrund ihrer Steifigkeit nicht den vor Ort benötigten Radien angepasst werden. Deshalb gibt es neben geraden Profilen auch standardmäßig gebogene Profile in zwei verschiedenen Radien. Bei anderen Radien kann durch die Kombination der beiden verschiedenen Bogenprofile sowie unter Ausnutzung des Spiels am Stoß jeder Radius gebaut werden. Riggenbachprofile werden heutzutage aufgrund der sehr arbeitsintensiven Fertigungsmethode nicht mehr hergestellt. Die Zähne können aber mehrfach aufgeschweißt und somit die Lebensdauer verlängert werden.
Strub-Profile werden aus gewalzten Profilen erstellt. Das aktuelle Strub-Profil TN 70 (mit einer Masse von 70 kg/m) basiert auf einem SBB I(46E1)-Schienenprofil mit einem etwas schmaleren Fuß und einem größeren Kopf. Die Zähne werden einzeln aus dem Kopf herausgeschnitten. Großer Vorteil ist die positionsunabhängige Befestigung auf den Schwellen mit klassischen Schienenbefestigungen. Somit kann die Bauweise so erfolgen wie bei einem klassischen Adhäsionsoberbau und nach der letzten Stopfung kann die Zahnstange eingelegt und befestigt werden.
Von Roll-Profile werden aus Vollprofilen erstellt, meist mit einer Breite von 60 oder 80 mm. Aufgrund der vorgegebenen Befestigungspunkte werden zuerst Schwellen und Zahnstangen montiert, anschliessend die Schienen.
Strub- sowie von Roll-Profile können nach Abschluss des Einbaus aluminothermisch verschweißt werden. Dies garantiert langfristig den richtigen Zahnabstand am Stoß.
2. Abt (2- und 3-lamellig)
Das System Abt besteht aus zwei oder sogar drei Lamellen, die jeweils hälftig zueinander versetzt sind. Der Zahnabstand ist größer als bei den anderen Systemen (120 mm). Vorteil ist, dass die Lamellen immer versetzt montiert werden, sodass es keine vollen Stösse gibt. Durch die geringe Dicke der Lamellen können diese wesentlich leichter von Hand montiert oder auch gedreht werden, was den Unterhalt erleichtert. Im Bogen muss die außenliegende Lamelle theoretisch länger sein. Bei kurzen Lamellen gleicht sich die Längendifferenz jeweils am Stoß aus. Neuerdings werden jedoch häufiger längere Lamellen (9 m) verwendet, sodass im Bogen Ausgleichslamellen mit einem Teilungsfehler (> 120 mm) eingebaut werden müssen.
3. Locher
Beim System Locher liegen die Zähne horizontal statt vertikal. Nur bei den Pilatus-Bahnen wird dieses System verwendet. Vorteil ist die wesentlich größere Neigung von bis zu 480 ‰. Alle anderen Systeme haben eine maximale Neigung von 250 ‰.
Nur wenige der weltweit ca. 40 Zahnradbahnen sind miteinander kompatibel, selbst wenn man nur den Oberbau betrachtet und Lichtraumprofil, Stromsystem etc. außer Acht lässt. Neben den unterschiedlichen Zahnstangensystemen und den verschiedenen Spurweiten variiert auch die Höhe Zahnstangenkopf – Schienenkopf. Eine Anpassung an ein anderes System erfordert die parallele Umstellung des gesamten Rollmaterials sowie der Infrastruktur, was meist an zu hohen Kosten und einem zu hohen zeitlichen Aufwand scheitert. Somit werden auf absehbare Zeit die verschiedenen Zahnradbahnen ihre jeweilige Einzigartigkeit bewahren. Rollmaterialbestellungen werden auch zukünftig maßgeschneidert erfolgen.
Da die Anzahl der Zahnradbahnen in der Schweiz weltweit am höchsten ist und fast das gesamte Rollmaterial in der Schweiz hergestellt wird, sind die Regelwerke dort am umfangreichsten (z. B. D RTE (Regelwerk Technik Eisenbahn) 29700 Systemtechnik Zahnradbahnen).
In freundlicher Zusammenarbeit mit Tensol Rail SA erstellt.